Konscha Schostak, Bildhauerin

Konscha Schostak ist Bildhauerin und gestaltet persönliche Grabmale aus Naturstein und anderen Materialien nach Gesprächen über das Leben Verstorbener (memoria-stein.de). Sie nennt sie lieber Erinnerungssteine, weil sie sich schon von ihrer Entstehung her und durch ihr Design von herkömmlichen Grabsteinen unterscheiden.

Konscha Schostak hat immer in Netzwerken gelebt und ist in mehreren Netzwerken aktiv.

Memoria – Stein-Marmorpostament der Venus, Konscha Schostak

I: Wann hast du angefangen mit diesen wunderschönen Steinen, die du jetzt machst?
KS: Damit habe ich vor bald neun Jahren angefangen. Nachdem ich den Erinnerungsstein für eine meiner ältesten Freundinnen gemacht hatte, sprach sich das im Bekannten- und Freundeskreis herum. Erstmal kamen dann Aufträge von Leuten, die mich kannten. Inzwischen habe ich die Webseite dazu gemacht und werde jetzt auch über das Internet gefunden.

I: Es sind besondere Steine. Man kommt nicht zu dir rein und sagt, »mach mir bitte mal einen Erinnerungsstein«.
KS: Nein, die Arbeiten entstehen im Dialog mit den Menschen, die zu mir kommen. Das muss nicht nur für den Abschied des Lebens sein, das kann auch für die Feste des Lebens sein. Ich übersetze Erzählungen in Form und Material. Nach den Gesprächen mache ich einen Entwurf und stimme ihn ganz genau mit den Auftraggebenden ab. In dieser Arbeit kommt meine gesamte Berufs- und Lebenserfahrung zusammen.

I: Deine Steine sind sehr speziell, in unterschiedlichen Formen und Farben. Aber da kommen wir gleich noch einmal drauf zu sprechen. Hast du ein Studium der Bildhauerei absolviert?
KS: Nein, ich habe in Italien Bildhauerei als Handwerk gelernt.

Kopie des Apoll in Marmor von Konscha Schostak, Stiftung Schlösser und Gärten Potsdam Sanssouci

I: Kannst du mal ein bisschen erzählen? Wie bist du darauf gekommen, nach Italien zu gehen?
KS: Nach dem Abi in Berlin bin ich gereist und auch nach Florenz gekommen. Ich war sehr beeindruckt von den Skulpturen überall, zum Beispiel von Giambologna auf der Piazza della Signoria, von Cellini und später auch von den »Sklaven« bzw. den »Gefangenen« von Michelangelo in der Galleria dell` Accademia, wie sich da der Mensch im Stein windet. Das hat mich tief beeindruckt. Zufällig kam ich dann nach Carrara und Pietrasanta, das liegt am Fuß der Marmorsteinbrüche, die Michelangelo erschlossen hat. Dort ist noch immer ein internationales Zentrum für Bildhauerei und ich habe gesehen, dass in den dortigen Werkstätten genau das angefertigt wird, was ich vorher in Florenz so bewundert habe. Da dachte ich, wow, das will ich auch können!
Also bin ich in blauäugig einfach in einen Betrieb geschneit. Gleich nebenan gab es auch eine Ausbildungsgelegenheit mit angegliederter Schule. Ich habe gefragt, ob ich dableiben kann. Ja, ich durfte! Und es ging auch ganz toll weiter. Ich habe eine super Wohngelegenheit bekommen und viele Freunde gefunden. Insgesamt habe ich dort dann zehn Jahre gelebt und gearbeitet.

I: Und dann bist du nach Berlin zurückgekehrt?

KS: Ja, längere Zeit habe ich frei künstlerisch gearbeitet mit Ausstellungen, Kunst im öffentlichen Raum und Symposien. Parallel dazu habe ich auch immer wieder Auftragsarbeiten angenommen, z. B. für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Das prominenteste Beispiel ist meine Kopie der überlebensgroßen Figurengruppe »Apollo mit dem getöteten Python« von Francois Gaspard Adam Le Jeune aus dem Jahr 1752, die heute an der Großen Fontäne unterhalb des Schlosses von Sanssouci steht.
Dazu hatte ich das Original im Atelier und habe aus einem 5-Tonnen-Marmorblock die Kopie gefertigt. Die am Original verwitterten Stellen habe ich an der Kopie ergänzt. Das war vom Bildhauerischen her anspruchsvoll und ein berufliches Highlight!

o.t., schwarzer Marmor von Konscha Schostak

I: Wie kam es dazu, dass du auch Erinnerungssteine gestaltest?
KS: Zu den Erinnerungssteinen, die ich jetzt mache, kam es, als eine meiner wirklich besten und langjährigsten Freundinnen sich von mir vor ihrem Tod einen Grabstein gewünscht hat. Sie hat mit mir besprochen, wie er aussehen sollte. Damit hat sie mir noch mal einen Anstoß in eine andere Richtung gegeben.
Ich habe gemerkt, wie wichtig das zum einen für die Menschen ist, die gehen, dass an sie erinnert wird. Und zum anderen auch ganz wichtig für die Hinterbliebenen, dass sie einen guten Ort haben, an dem sie wissen: »Da ist meine Erinnerung gut aufgehoben, da ist auch ein Stein, der der Person entspricht, die verstorben ist.«

I: Du vergisst das Gestalterische…
KS: Ja, das natürlich auch noch. Während meiner Lehr- und Arbeitsjahre in Italien war das Material für mich nie begrenzt. Die sprichwörtliche Angst vor einem »weißen Blatt Papier« gab es für mich nicht, weil ich an der Quelle war. Material gab es dort en Masse und viele internationale Bildhauende waren da. Ich habe gelernt, dass ich jede Idee, die in Stein machbar ist, realisieren kann.

Erinnerungsstein in Marmor von Konscha Schostak

I: Das heißt, dir ist die Angst etwas falsch zu machen, von Anfang abhandengekommen?
KS: Das ist richtig. Außerdem kann ich ja heute auf eine jahrzehntelange Berufserfahrung zurückgreifen.

I: Du bist Bildhauerin und keine Handwerkerin, obwohl du im Werken mit der Hand einiges können musst. Wie bist du als Bildhauerin eigentlich zum Netzwerk von Berliner Handwerkerinnen gekommen?
KS: Zum Netzwerk bin ich über ein anderes Netzwerk, nämlich über das Netzwerk der WeiberWirtschaft gekommen, wo ich auch mein Atelier ist. Ich habe, sehr wichtig für mich, einen schönen begrünten Innenhof, in dem ich meine Steine lagere, das ist mein kreativer Freiraum. Ich brauche das, ich könnte vor mir nicht einfach eine Wand haben und nur Häuser drumherum. Ich brauche ein bisschen Luft und Himmel und was Grünes noch dabei.

I: Was glaubst du, gibt es Vorteile von Netzwerken, insbesondere auch von Frauennetzwerken, braucht man die überhaupt?
KS: Die braucht man unbedingt. Zum Beispiel hier in der WeiberWirtschaft bin ich ja auch schon lange, so lange, dass mir die Vorteile dieses Netzwerkes oft erst wieder bewusst werden, wenn wir Besuch haben und erzählen, was wir so alles haben. Das ist für mich alles so selbstverständlich geworden, ich gehe einfach eine Tür weiter und frage die Gründerinnenzentrale nach einem Tipp. Oder auch das Handwerkerinnen-Netzwerk, ich rufe einfach Berlins bekannteste Vergolderin Michelle Sachs an und frage, wie geht es jetzt genau bei dieser kniffligen Frage der Blattvergoldung. Es ist ganz wichtig und es gibt auch immer wieder Unterstützung in anderen Situationen aus einem Netzwerk. Und das ist schön zu haben und sich darin aufgehoben zu wissen.

I: Das hast du schön ausgedrückt. Das heißt, ich kann mir die Frage, wo für dich der Mehrwert liegt, schenken.
KS: Ich kenne das nicht anders. Ich habe immer in Netzwerken gelebt.

I: Nun machen wir im Netzwerk der Berliner Handwerkerinnen Workshops und Seminare. Du hast auch schon teilgenommen.
KS: Ja, die finde ich sehr interessant und hilfreich. Da gehe ich oft gestärkt heraus, wenn es darum geht, wie verorte ich mich in meinem Beruf, wie positioniere ich mich? Da lernt man nie aus. Und so lange es strukturelle Nachteile für Frauen im Berufsleben gibt, müssen wir aktiv daran arbeiten sie auszugleichen.

balance in movement, weißer Marmor auf blauem Granit von Konscha Schostak

I: Bist du alles in allem zufrieden, wenn du dir deine berufliche Situation im Moment vergegenwärtigst?
KS: Ja, ich bin zufrieden. Jede Arbeit ist sehr unterschiedlich. Ich recherchiere viel, um zu sehen, welches Material stimmt und wo bekomme ich es her. Es ist nicht so, dass ich mit dem Finger schnipse und das Material kommt herbei, ich suche das, was meinen Auftraggebenden und mir gefällt. Dabei kommen mir auch meine bis heute superguten Kontakte nach Italien zugute.

I: Bei dir gibt es das Material nicht von der Stange, sondern du schaust nach besonderen Steinen?
KS: Ja, ich schaue nach schönen und besonderen Steinen, es sind oft Formate mit teils rauen Bruchstellen, die im herkömmlichen Steinhandel nicht vorkommen. Und ich achte auch darauf, dass keine Kinder- oder Sklavenarbeit darin steckt. Ich habe hier im Atelier eine kleine Auswahl von Proben, die vorzugsweise aus Europa kommen, Kalksteine, Marmore, Sandsteine. Ich arbeite gerne mit hellen Natursteinen, manchmal auch mit blauen Graniten und Quarzen, die mir vom Aufbau, von der Struktur und von dem her, was ich daraus machen kann, gefallen.
Oft kommen die Menschen und sagen zum Beispiel, dass sie gar keine richtige Idee haben, aber irgendwas Besonderes haben wollen. Dann entwickelt sich in einem ganz tollen Prozess ein Geben und Nehmen, ein Reinwerfen von Ideen. Wenn es zum Beispiel um einen Erinnerungsstein als Grabstein geht, kann der gemeinsame kreative Prozess ein Stück Trauerarbeit werden. Oft bekomme ich auch dazu ein ganz positives Feedback.

Gedenktafel schwarzer Marmor und Blattgold, von Konscha Schostak

I: Wenn man auf deine Webseite sieht, sind da mitunter farbenfrohe Steine. Das ist nichts Düsteres.
KS: Wenn ich im Gespräch merke, dass die Trauer jetzt noch zu präsent ist und alle anderen positiven Erinnerungen übertönt, schlage ich vor, die Entscheidung über die Gestaltung des Steins zu verschieben. Es geht ja auch darum, im Stein die persönliche Beziehung und die schöne gemeinsame Zeit sichtbar zu machen.

I: Gibt es noch Wünsche oder berufliche Ziele für die nächste Zeit?
KS: Ich möchte das weitermachen, was ich gerade mache, weil das wirklich toll ist, Erinnerungssteine zu machen. Manchmal denken die Leute, das ist jetzt alles wahnsinnig traurig. Das ist es ja auch, besonders wenn ein Leben sehr kurz war. Aber das ist es nicht nur. Ich habe auch viel über Liebe, über Zuneigung, über gelebtes Leben und über Beziehungen erfahren. Für mich ist die Begleitung eine sehr schöne Arbeit.

I: Du kommst den Menschen dann auch sehr nahe?
KS: Ja, zeitweise komme ich ihnen nah und sie mir auch.

I: Das heißt, du brauchst sehr spezielle Kompetenzen. Als Bildhauerin sowieso, aber um Gefühle und Emotionen von Menschen in Stein zu übersetzen, braucht es noch mehr. Welche Kompetenzen muss man für deine Arbeit mitbringen?

KS: Zuhören, Empathie, feines Gespür für das, was das Gegenüber möchte, Fantasie und gute künstlerische Ideen.

I: Ich danke dir für das Gespräch, Konscha. 

Das Kompetenzzentrum für Berliner Handwerker*innen des bfw wird durch die Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung des Landes Berlin gefördert.

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